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[Presse] Schausteller - Nomaden der Moderne

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JUK Der Benutzer wurde geprüft und ist eine reale Person. Unterstützt das Forum mit einer jährlichen Spende. Ist ein Ehrenmitglied. Neu  26.05.2005 Donnerstag, 26. Mai 2005 23:23
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Jens Uwe Kupka
Lensahn
Deutschland . SH
Plattlinger Zeitung vom Dienstag, 24. Mai 2005

Schausteller - Nomaden der Moderne

Familie Kollmann zieht im Wohnwagen von Fest zu Fest - Kontinuität ein Fremdwort - In Branche hineingeboren

von Andreas Bachner.
Plattling. Lautes Getöse, wummernde Boxen, leuchtende Fassaden und wild-wirbelnde Fahrgeschäfte, aus denen euphorisches Gekreische dringt: Volksfest-Alltag. Die PZ hat hinter die Kulissen geblickt und das Leben einer Schausteller-Familie beleuchtet.

Sein geräumiges Haus in Dingolfing ist eigentlich nur Zweitwohnsitz, nur selten ist er dort. Wenn Alexander Kollmann sein Grundstück betritt, steht das Gras schon mal auf Knie-Höhe. »Dann muss als Allererstes gemäht werden«, sagt er. »Schließlich soll alles ordentlich aussehen.« Aus dem Briefkasten quellen Wurfsendungen, Briefe und Zeitungen. Seine Hauptresidenz misst beengende 20 Quadratmeter und passt auf jede Anhängerkupplung. Alexander Kollmann ist in einem neun Meter langen, ausladenden Wohnwagen daheim. Den teilt er sich mit seiner Frau Manuela und seinen beiden Söhnen Dustin (fünf Jahre) und Kevin (zehn Jahre). Zwei Generationen auf engstem Raum.
Für Alexander Kollmann ist das normal, er ist Schausteller, betreibt eine Autoscooter-Bahn
und »campiert« seit gestern auf der Plattlinger Volksfest-Wies'n. Mit »Camping« im klassischen Wortsinn hat das aber nicht viel gemein. Kollmanns Wohnwagen ist eher ein mobiles Häuschen. Das Interieur erinnert an ein rustikales Wohnzimmer. Edle Holzfronten schmücken die Schränke der Küchenzeile und des Wohnbereichs. Von außen mag man gar nicht glauben, was sich einem im Inneren erschließt. Küche, Bad, Doppelbett, Schlafkoje für die Kinder, eine Sitzecke und Satellitenfernsehen. »Alles, was man zum Leben braucht«, sagt Kollmann.
Er ist 36 Jahre und ist »praktisch von Geburt an im Geschäft«. Seit 80 Jahren betreibt seine Familie das Traditionsunternehmen. »Rastlos« ist wohl das treffendste Attribut, die Branche zu umschreiben, in die er hineingeboren wurde. Seit 36 Jahren führt er daher einen ungewöhnlichen Lebenswandel - in Zyklen. Jede Woche Abbauen, in eine neue Stadt wechseln, wieder aufbauen: Und wöchentlich grüßt das Murmeltier.
Schausteller sind moderne Nomaden, die den ganzen Sommer von Volksfest zu Volksfest ziehen. Ihr Quartier schlagen die Kollmanns in ganz Bayern auf. »Jedes Jahr fahren wir praktisch dieselbe Route«, von Landshut nach Landau, Moos, Wallersdorf und diese Woche Plattling. Langweilig wird es dabei nie. »Klar, ein gewisses Maß an Routine stellt sich nach einer

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Jede Woche muss Kevin in eine andere Schule

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Weile ein. Aber man lernt immer neue Menschen und Kollegen kennen.«
Für den zehnjährigen Kevin heißt das aber auch: Jede Woche eine andere Schule. »Kevin ist in allen Städten auf unserer Route als Gastschüler gemeldet«, erklärt Kollmann. Kontinuität ist für die Familie ein Fremdwort. Dem Sprössling scheint das nicht zu kümmern: Er habe überall viele Freunde und Bekannte. Und: »Ich kann an allen Fahrgeschäften umsonst mitfahren«, nennt er einen Vorteil eines Schaustellerkindes.
Für die Kinder sei das alles ein riesiges Abenteuer, jedes Volksfest ein einziger Spielplatz, sagt Manuela Kollmann, die sich auch nicht nach bürgerlicher Beständigkeit sehnt. »Ich kenne nur dieses Leben, etwas anderes will ich gar nicht« , konstatiert die 32-jährige Mutter. Sie ist ebenfalls »Schaustellerkind«, ihren Mann hat - wo sonst - auf einem Volksfest kennen gelernt.
»Lager-Koller« habe sie im im Wohnwagen noch nie bekommen. »Man gewöhnt sich an die Enge.« Einen »Koller« bekäme sie vielmehr in ihrem Dingolfinger Haus. »Da ist man den Platz nicht gewöhnt.« Von April bis Oktober dauert die Saison. »Bis Dezember ist die Ruhe ganz angenehm, ab Januar setzt dann aber wieder das Kribbeln ein«, gibt sie zu. Dann kann sie es kaum erwarten, in das abenteuerliche Leben mit lauter Musik und leuchtenden Lämpchen wieder einzutauchen.

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»Zu Hause setzt dann das Kribbeln ein«

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Hinter der Fassade, dem romantisch verklärtem Bild wütet jedoch ein knochenharter Konkurrenzkampf. Jedes Jahr muss sich Alexander Kollmann aufs Neue um Stellplätze bewerben. Im Oktober ist Anmeldeschluss. »Das ist immer ein Risiko.« Modernität ist ein entscheidendes Kriterium, auf das die Behörden bei der Vergabe der Konzessionen achten. »Man muss immer auf dem neuesten Stand bleiben«, erklärt Kollmann.
Ein rastloses Geschäft eben, an dem Kollmann aber die familiäre Atmosphäre und besonders die Unabhängigkeit schätzt. »Die verlangt einem aber oft sehr viel ab«, gesteht er. Zum Beispiel die ein oder andere schlaflose Nacht. So wie gestern, als der 36-Jährige seinen »Euroscooter« im Scheinwerferlicht erst abmontiert und von Wallersdorf nach Plattling verfrachtet hat. Heute laufen die Aufbauten unter Hochdruck. »Morgen muss alles fertig sein!«
Andere sind da schon weiter, die Volksfest-Wies'n beginnt sich allmählich zu füllen. In den Festzelten fehlt nur noch das Dekor, auf der Go-Kart-Bahn das schützende Dach. In der Himalaya-Bahn werden die fehlenden Leuchtdioden in die Fassade eingesetzt, im Kinderkarussell und Mini-Scooter die Gefährte auf Hochglanz poliert. Die letzten Schieß- und Imbissbuden werden heute aufgebaut, bis zum Abend sollen auch das Riesenrad und Kollmanns Autoscooter stehen. In sechs Tagen wiederholt sich das Szenario wieder. »Ein ewiges Ab- und Aufbauen«, seufzt Manuela Kollmann. »Ein Urlaub wäre nicht schlecht.« Dann aber ohne Wohnwagen.
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